|
K. Bruderschaften
und Vereine
|
Bereits in den Anfängen
des Christentums war die Idee der Brüderlichkeit ein wichtiges,
stark christologisch begründetes Element, das die Gemeinschaft
der frühen Kirche prägte. Der Begriff ist aus dem lateinischen
"fraternitas" abgeleitet und deckt ein breites Bedeutungsspektrum
ab, das im Laufe der Kirchengeschichte erhebliche Differenzierungen
und Wandlungen erfahren hat. Demnach umfasst "fraternitas"
etwa die Organisationsform der Bruderschaft, aber auch die Brüderlichkeit
im Sinne eines solidarischen Miteinanders der Christen, im heutigen
Sprachgebrauch passender als "Geschwisterlichkeit" wiedergegeben.
Die Beschränkung der Bruderschaft auf eine spezielle Sozialform
katholischer Frömmigkeit ist erst eine Entwicklung des 16.
bis 18. Jahrhunderts.
Am Beginn des mittelalterlichen Bruderschaftswesens standen die
von den Klöstern ausgehenden Gebetsverbrüderungen, bei
denen die Mitglieder durch freiwillig übernommene Gebetsverpflichtungen
miteinander verbunden waren. Die gemeinschaftsbildende Kraft der
geistlichen Bruderschaften führte allmählich zur Übernahme
gesellschaftlicher, kultureller und sozial-karitativer Aktivitäten.
So wurde das gemeinsam eingenommene Bruderschaftsmahl ein wichtiges
Element, während andere Vereinigungen Sterbekassen für
die Mitglieder kannten. Bestimmend für das Bruderschaftswesen
blieben indessen die im Ursprung religiöse Begründung,
die persönliche Entscheidung des Einzelnen sowie das genossenschaftliche
Element. Den meisten Bruderschaften war die Pflege und Sicherung
des Totengedenkens für die verstorbenen Mitglieder durch die
lebenden ein zentrales Anliegen. Insgesamt konnte sich ein vielfältig
spezialisiertes Bruderschaftswesen entwickeln, das, an Kloster-,
Stifts- oder Pfarrkirchen angebunden, auch Aufgaben weltlichen Charakters
übernahm und eine hohe Bedeutung für die städtische
Gesellschaft erlangte.
Einen bedeutenden Einschnitt stellt das Zeitalter der Reformation
und Konfessionalisierung dar. Während im protestantischen Bereich
in Konsequenz der von Martin Luther geäußerten Kritik
das Bruderschaftswesen völlig zum Erliegen kam, erlebten die
frommen Vereinigungen in katholischen Gebieten im 17. und 18. Jahrhundert
einen neuen Aufschwung mit gleichzeitig veränderter inhaltlicher
Orientierung. In Folge des Trienter Konzils und späterer kirchenrechtlicher
Bestimmungen übernahmen die Bruderschaften weitgehend die Vorstellungen
der katholischen Reform. Im Mittelpunkt standen nunmehr das Frömmigkeitsleben
und die religiöse Unterweisung; organisatorisch ist die Tendenz
einer Zentralisierung der gesamten Kirche und Ausrichtung auf die
römische Kurie hin auch im Bereich des Bruderschaftswesens
deutlich ablesbar.
In der Aufklärungs- und Säkularisationszeit um die Wende
des 18. zum 19. Jahrhundert kam es zu nachhaltigen Bemühungen
um Eindämmung der Bruderschaften, doch ist - im Rheinland jedenfalls
- die Zahl der in diesen Jahrzehnten fortbestehenden Vereinigungen
beträchtlich. In den letzten beiden Jahrhunderten spielten
die Bruderschaften im Rahmen kirchlicher Sozialisierung und der
Förderung von heute fremd gewordenen Frömmigkeitsformen
(Marien- und Herz-Jesu-Verehrung, Gebet für die Armen Seelen)
noch eine beträchtliche Rolle. In der heutigen Pastoral kommt
ihnen so gut wie keine Bedeutung mehr zu.
Neben den Bruderschaften ist der Verein die jüngere Sozialform
kirchlicher Vereinigungen. Erst im 19. Jahrhundert entstanden, sind
katholische Vereine anders als Bruderschaften nicht auf das kirchliche
Umfeld und religiöse Inhalte beschränkt, verfügen
naturgemäß jedoch über eine hohe Kirchenbindung.
Wie die Bruderschaften weist auch das kirchliche Vereinswesen ein
breites, in diesem Rahmen kaum zu würdigendes Spektrum auf.
Katholische Vereine bestanden auf allen Ebenen kirchlichen Lebens
und deckten von ihrer Ausrichtung und Tätigkeit her eine Vielzahl
von Aspekten des Lebens ab, seien es Ausbildung, Beruf, Familienstand
und Lebensalter oder Interessen künstlerischer, wissenschaftlicher
und caritativer Art. Genannt seien lediglich der im Rheinland wichtige,
u. a. auf Adolf Kolping zurückgehende Gesellenverein (1846)
sowie der in Mönchengladbach ansässige Volksverein für
das katholische Deutschland (1890). Seine Blütezeit erlebte
das Vereinswesen in den Jahrzehnten nach 1848, bedingt durch das
Selbstverständnis der Katholiken, aber auch aufgrund der Möglichkeiten,
welche die neue preußische Verfassung für die rechtliche
Ausgestaltung eröffnete. In der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts waren die kirchlichen Vereine entscheidend an der Ausprägung
jener Erscheinungsformen beteiligt, die die jüngere Forschung
als "Katholizismus" und "katholisches Milieu"
bezeichnet.
Mit der Zeit des Nationalsozialismus ist ein empfindlicher Einschnitt
für das Vereinswesen verbunden: Viele Vereine wurden von den
Nazis aufgelöst, und trotz mancher Wieder- oder Neugründung
in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg konnten die kirchlichen
Vereine in ihrer Gesamtheit die frühere Bedeutung im nun zunehmend
veränderten kirchlichen und gesellschaftlichen Leben nicht
wiedererlangen.
|
Erste Jugendwallfahrt nach dem Krieg in
Altenberg, 5. Juni 1946. |
|
|