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F.
Caritas und Armenwesen
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Das
Wesen des Christentums ist untrennbar mit tätiger Nächstenliebe
verbunden, die ihren Ausdruck in caritativen Werken findet. Damit
war schon seit dem frühen Christentum das Bewusstsein verbunden,
entsprechend dem Jesuswort bei Matthäus 25, 35 f. ("Ich
war hungrig ...") in jedem Bedürftigen Christus selbst
zu begegnen; an der Liebe zueinander soll man nach Gottes Gebot
die Christen erkennen (Joh. 13, 35). So haben sich Bischöfe,
Gemeinden, insbesondere aber auch die Klöster und Stifte um
des ewigen Heils willen stets der Sorge um die Armen, Witwen und
Waisen verpflichtet gefühlt, etwa in Form von Hospitälern
zur Fürsorge für Kranke, Alte, Fremde und Mittellose.
Von christlichem Selbstverständnis waren aber auch die seit
dem 12./13. Jahrhundert verstärkt von kommunaler Seite gegründeten
Hospitäler geprägt, denen ein Geistlicher zur religiösen
Betreuung der Bewohner vorstand.
Die christliche Verpflichtung zum Almosengeben bestand nach scholastischer
Lehre vor allem dort, wo der Mensch Mittel im Überfluss erwarb,
die über das Existenzminimum sowie das zur jeweiligen gesellschaftlichen
Standeswahrung Nötige hinausgingen. Wesentliche Unterstützung
erfuhren die Bedürftigen bzw. die notlindernden Einrichtungen
daher durch Almosenspenden und Armenstiftungen, die stets mehr um
des persönlichen Seelenheils willen als aus sozialer Sorge
heraus getätigt wurden. Angesichts der tief religiösen
Motivierung spielte die Frage des Grades an Bedürftigkeit der
Armen im Vergleich zur späteren Sozialfürsorge kaum eine
Rolle; auch unterlagen Bettler und Arme bis in die frühe Neuzeit
weitaus geringerer Diskriminierung als in der Moderne; dazu beigetragen
haben auch die Bettelorden und die Armutsbewegung des 12. Jahrhunderts
sowie die Tatsache, dass es keinerlei Zielvorstellungen zur innerweltlichen
Beseitigung der Armut gab.
Seit dem 17. Jahrhundert kamen vereinzelt neue, speziell für
die Armenpflege bestimmte Orden auf, Vorläufer jener geistlichen
Gemeinschaften, wie sie im 19. Jahrhundert typisch für kirchliche
Caritasarbeit geworden sind. Daneben gab es nun mehr und mehr landesherrliche
und kommunale Einrichtungen, die eine stärker aus gesellschaftspolitischen
bzw. humanitären Motiven geübte Armenpflege betrieben
und diese zunehmend politisch-verwaltungsmäßig regelten;
auch außerhalb der Städte ist insbesondere in den Pfarreien
für die Armen gesorgt worden.
Dieser Trend zur öffentlichen Armenpflege und -fürsorge
wurde im 19. Jahrhundert bestimmend, auch wenn die Kirche trotz
der immensen Zäsur, welche die Säkularisation herbeiführte,
in der organisierten Caritas engagiert blieb. Über sozialcaritative
Orden wie über Caritaskreise, Elisabeth- und Vinzenzvereine
entwickelte sich geradezu eine caritative Bewegung, auch als zunächst
noch bescheidene Antwort auf die neuartigen Formen von Not in der
Zeit von Pauperismus und früher Industrialisierung. In Ergänzung
der staatlichen Sozialpolitik seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert
kam es 1897 in Köln zur Gründung des Deutschen Caritasverbandes
als schlagkräftige professionelle Organisation, mit deren Hilfe
auch auf die immensen gesellschaftlichen Herausforderungen des 20.
Jahrhunderts reagiert werden konnte. So ist etwa im Bereich der
Flüchtlings- und Kriegsgefangenenhilfe Immenses geleistet worden;
im Vergleich zu den Orden stieg seit den 1950er Jahren zusehends
die Bedeutung des Caritasverbandes und der Bistümer.
Ein recht junges Feld christlicher Caritas ist die internationale
Ebene der Weltkirche. So wissen sich die Christen in Deutschland
seit den 1950er Jahren in unmittelbarerer Weise als früher
den Menschen und Völkern in anderen Erdteilen verbunden und
verpflichtet. Zum Meilenstein wurde die 1958 von Köln aus initiierte
Aktion "Misereor". Das Konzil hat dann Weltkirche auf
neue Weise spürbar werden lassen und den Wert kirchlicher Hilfe
nun auch für die übernationale Ebene betont, und zwar
an Christen wie Nichtchristen.
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St. Nikolaus, Köln, um 1320. |
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