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N. Glaube in bedrängter Zeit: Das Erzbistum Köln in der Zeit des Nationalsozialismus vorherige Seite nächste Seite
Bisher von der Kirche konsequent abgelehnt, wurde der Nationalsozialismus 1933 mit Hitlers Regierungsübernahme zum Problem, denn nach christlicher Tradition war die Einheit von Kirchen- und Staatstreue selbstverständlich. Während die Bischöfe nun Ihren Weg zwischen klarer inhaltlicher Distanzierung von der NS-Weltanschauung und formal-politischer Auseinandersetzung bzw. vorsichtiger Kompromissbereitschaft der neuen Regierung gegenüber suchten, mussten sich auch die gläubigen Katholiken auf die neuen gesellschaftlichen Verhältnisse einstellen. Sie hatten in aller Regel nicht die NSDAP gewählt und fühlten sich ihrer Kirche fest verbunden; dennoch war vielen 1933/34 noch der Blick hinter die von Hitler errichteten Kulissen mit ihrem Ruf nach vereinheitlichender Erneuerung von Staat und "Volksgemeinschaft" verstellt. Angesichts einer Mischung aus bald einsetzenden Angriffen, etwa gegen katholische Jugend, Vereine und Presse einerseits und beschwichtigenden Äußerungen der staatlichen Autorität andererseits waren die tiefere Absicht und die drastischen Mittel, mit der die neue "Bewegung" auf die völlige Ausrottung des Christentums in Deutschland hinarbeitete, noch nicht klar erkennbar. Es fehlten die historischen Erfahrungen mit dem perfiden Charakter eines totalitären Staates, der sich äußerlich, formalrechtlich als Normenstaat, tatsächlich aber als willkürlich agierender "Maßnahmenstaat" (Ernst Fraenkel) darstellte.

Doch wurden anfängliche Hoffnungen auf Normalisierung angesichts des Totalitätsanspruchs der "neuen Weltanschauung" bald fragwürdig. Kardinal Schulte hat dies offenbar spätestens 1934 bei einem Besuch beim Reichskanzler Adolf Hitler erkannt. Einem Vertrauten gegenüber hat er geäußert, Hitler sei unheimlich; von ihm werde man "noch furchtbare Dinge" erleben. Der Erzbischof zog sofort Konsequenzen. Er gründete die "Abwehrstelle" gegen antichristliche Propaganda unter Domvikar Joseph Teusch, der es zu verdanken war, dass die Katholiken vermehrt hinter die Fassade blickten und ihr Augenmerk auf die neue, nicht mit Kompromissen zu überbrückende geistig-weltanschauliche Trennlinie in Staat und Gesellschaft richteten, nämlich auf die Grenze zwischen dem Christentum einerseits und dem bislang unbekannten pseudoreligiösen "Neuheidentum" andererseits. Das NS-Regime war bestrebt, die Gläubigen - vor allem die leichter beeinflussbare Jugend - mit Verweis auf die Erfordernisse der "neuen Zeit" systematisch zur Abkehr von ihrer Kirche und von Gott zu bewegen, Klerus und Bistumsleitung vom Kirchenvolk zu isolieren und die Kirche, auch wo sie formalrechtlich geschützt war, aus der Öffentlichkeit zu verdrängen; eine in Deutschland gänzlich neue Erfahrung. Der Erzbischof und seine Berater, besonders Generalvikar David, hatten erkannt, dass es nun entschieden darauf ankam, den Menschen die zentralen Glaubenswahrheiten zu bewahren sowie Gottesdienst, Sakramentenspendung und Seelsorge zu gewährleisten. Allerdings ist Schulte zum Bedauern vieler in ihrem Alltag vor großen Gewissensproblemen stehenden Gläubigen nach außen hin sehr zurückhaltend geblieben. Im Hinblick auf die von ihm offenbar in mancher Hinsicht vorausgeahnte grenzenlose Brutalität des Regimes hat er - für viele unverständlich - offene Kritik an der staatlichen Obrigkeit gescheut und stattdessen im Hintergrund versucht, den zunehmenden Kampfmaßnahmen gegenzusteuern. Das mag zwar zu Teilerfolgen geführt haben, konnte aber den Lauf der Dinge letztlich kaum aufhalten. Freilich ist heute ungewiss, ob eine offensivere Gangart der Bischöfe Entscheidendes hätte verhindern können.

Nach wenigen Jahren waren das blühende kirchliche Leben auf den inneren Bereich, vor allem die Pfarrei, eingegrenzt und die äußeren Strukturen wie Vereine, Verbände oder Presse weitgehend zerstört. Auch waren nach und nach zahlreiche Priester Opfer von strafrechtlichen Maßnahmen wegen diverser formaler Beschuldigungen geworden; etliche Priester und Laien haben ihre nach außen hin couragiert gezeigte Haltung mit dem Leben bezahlt. Unter all diesen Umständen hat es der Nationalsozialismus jedoch in der kurzen, aber wirkmächtigen Zeit nicht geschafft, den Glauben der meisten Katholiken, die innere Stärke und Lebendigkeit der Kirche, die Autorität ihrer Priester oder die Wertebindung des sog. "katholischen Milieus" entscheidend zu schwächen. Der Kampf hat der Kirche Einbrüche in den Randbereichen, aber Festigung im Inneren gebracht, so dass sie nach dem Krieg zu Recht als die einzige gesellschaftliche Institution galt, die in den Grundstrukturen intakt geblieben war und ihre Glaubwürdigkeit über die Zeit der Diktatur hinweg bewahrt hatte. vorherige Seite nächste Seite
Plakat des NS-Regimes gegen konfessionelle Jugendverbände und andere Gruppierungen, die sich der HJ widersetzten, 1935.
Plakat des NS-Regimes gegen konfessionelle Jugendverbände und andere Gruppierungen, die sich der HJ widersetzten, 1935.



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